Juli 26, 2021

Wiener Wohnmodell für Flensburg?



München, Berlin, Hamburg: Die drei größten deutschen Städte sind dafür bekannt, dass die Mieten in diesen Städten seit Jahren nur noch wachsen. Dem Wachstum ist keine Grenze gesetzt. Alleine in München ist der durchschnittliche Quadratmeterpreis seit 2012 um ca. 6 Euro gestiegen.

Das ist keine Entwicklung, die auf Dauer gut gehen kann. Ich habe in den letzten Wochen und Monaten schon mit vielen Menschen aller politischer Couleur über dieses Problem gesprochen. Und ich weiß, dass es insbesondere für die jungen Menschen ein Problem darstellt – gerade in den Universitätsstädten sind Mietwohnungen rar. Auch wenn Flensburg sich in einer etwas entspannteren Lage befindet als die Mega-Metropolen, so werden wir auch hier langfristig auf ein riesiges Problem zukommen.

Die österreichische Hauptstadt Wien ist international für ihre Wohnungspolitik bekannt. Die Stadt Wien hat mit ca. 31 Prozent eine Monopolstellung im städtischen Wohnungsmarkt und investiert stetig in den Neubau. Die Vielfalt der Tarifoptionen der Wiener Wohnen – die man mit dem sogenannten Wohn-Ticket nutzen kann – hilft insbesondere jungen Menschen, also Studierenden, Auszubildenden und Schüler*innen, eine gute Preis-Leistungs-Balance bei der Monatsmiete zu finden. Auch wenn ein Großteil der Wohnungen der Wiener Wohnen gar nicht unter dem Preisniveau deutscher Metropolen liegt, so haben junge Menschen hier einen größeren Vorteil.

Außerdem ist die Bodenvorratspolitik in Wien ein riesiger Vorteil. Mit ihrer Monopolstellung kann die Stadt in Gesprächen mit potentiellen Verkäufer*innen die Preise vorgeben. In Deutschland sind die Kommunen beim Kauf von sowohl Wohnungen als auch Boden oftmals im absoluten Nachteil, da sie selten eine Monopolstellung besitzen. Meistens sind es die privaten Vermieter*innen oder die großen Immobilienkonzerne, die hier die Preise bestimmen – die Kommunen müssen sich dem anpassen.

Es ist klar: Weder Flensburg noch eine andere Kommune in Deutschland kann plötzlich so viele kommunale Wohnungen besitzen wie Wien. Das ist eine historische Entwicklung, in der die deutschen Kommunen in großem Maße verkauft haben, um ihre kommunalen Finanzen zu sanieren. Zwischen 1999 und 2011 wurden von Bund, Länder und Kommunen ca. 549.000 Wohnungen verkauft. Rund 100 Sozialwohnungen gehen pro Tag verloren.

Wir brauchen einen langen Atem, wenn wir wollen, dass die Kommunen wieder in den Besitz eines Großteils der lokalen Immobilien kommen. Aber wir brauchen auch konkrete politische Handlungen. Das Wiener Modell ist deshalb als langfristiges Ziel in unserem Leitbild verankert – auf dem Weg dahin fordern wir:

  • Die Kommunen müssen von Bund und Ländern finanziell entlastet werden, um nicht weiterhin unter Druck zu geraten und Wohnungen verkaufen zu müssen. Wir brauchen eine Neuregelung der kommunalen Finanzen.
  • Wir brauchen eine deutliche Steigerung der Mittel des Bundes für sozialen Wohnungsbau. Es braucht eine echte Wohnraum-Offensive: In dieser Legislaturperiode – also innerhalb vier Jahren – gehen 5 Mrd. Euro vom Bundesministerium des Innern in die Förderung des sozialen Wohnungsbaus, bei um die 83 Millionen Einwohner*innen in Deutschland. Die Stadt Wien mit knapp 2 Millionen Einwohner*innen investiert in diesem Zeitraum alleine 2,4 Mrd. Euro.
  • Ein Recht auf Wohnen im Grundgesetz: Für uns hat jede*r ein Recht auf Wohnen. Das wollen wir im Grundgesetz so verankern. Wohnungen dürfen nicht zu Luxuswaren werden. Und auch die Innenstädte sollten nicht ausschließlich aus exklusiven Wohnvierteln bestehen. Wir wollen eine inklusive Innenstadt, die die Vielfalt der Gesellschaft widerspiegelt.
  • Eine neue Wohngemeinnützigkeit: Das Wahlprogramm von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Bundestagswahl 2021 fordert genau das. Wohnungen des Bundes dürfen ausschließlich an Kommunen verkauft werden – mit einer klaren und sicheren Sozialbindung.
  • Wir wollen Mieterhöhungen stärker begrenzen und die Mieter*innenrechte stärken.



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